Demokratie duldet Widerspruch

April 2023. Die Demokratie ist in Gefahr. Deshalb tragen Politik, Wirtschaft und Medien gemeinsam eine hohe Verantwortung. «Die Medien sind bellende Wachhunde der Demokratie und die Demokratie ist bekanntlich das beste politische System, weil man es ungestraft beschimpfen kann» (Ephraim Kishon). Nun muss zwar nicht gleich geschimpft werden, aber ist es nicht gut zu wissen, dass man eine kritische Meinung öffentlich äussern kann, ohne gleich verhaftet zu werden!? Demokratie lebt vom kritischen Hinterfragen, vom Widerspruch, vom Streit und sie hält Kritik aus. Und im Wettstreit der Argumente sind auch die Medien angehalten, sachlich wie wahrheitsgetreu zu berichten. Denn «es gibt keine Alternative zur Erkenntnis, dass wir – allen Konflikten zum Trotz – in einem Boot sitzen» (Richard von Weizsäcker).

Es wird immer wieder vermutet, dass sowohl in den «Hinterzimmern der Politik» als auch in den Redaktionssitzungen der Medien «Lügen» geschmiedet werden. Die Demokratie aber ist «ein Vertrag, in dem sich freie Menschen verpflichten, die Rechte und Freiheiten der Mitbürger zu achten» (Franklin D. Roosevelt). Und so geht es zumindest den meisten Vertreterinnen aus Wirtschaft, Politik und Medien: Sie wollen sich an diesen Vertrag halten. Sie sind mehr für die öffentliche Meinung sensibilisiert als es bisweilen den Eindruck macht.

Es muss anerkannt werden, dass in den «Hinterzimmern» von Politik und Wirtschaft die öffentliche Meinung stets mitgedacht wird und ebenso der Anspruch der Medien präsent ist, Dinge zu hinterfragen. Es wäre ein Irrglaube zu meinen, Unternehmen oder politische Interessensvertreter würden dies nicht in ihre Diskussionen einfliessen lassen. Im Gegenteil. Auch und gerade dank der Medien sind politische ebenso wie Vertreterinnen und Vertreter aus Wirtschaft und Politik angehalten, weiter zu denken und möglichst viele Interessensgruppen in ihre Entscheidungen frühzeitig einzubeziehen. Auch deshalb sind Medien in ihrer Vielfalt wichtig. Allein ihre Existenz führt bereits dazu, dass «öffentlich» gedacht wird.

Insofern ist jede Verminderung von Medienvielfalt an sich schon problematisch, weil die erwähnte Selbstkontrolle auf der Strecke bleiben könnte. Gleichzeitig sind Medienmonopole wenig geeignet, um demokratische Grundregeln langfristig zu wahren, da sie Macht besitzen und bisweilen auch ausnutzen. Und auch soziale Medien können nur bedingt in die Bresche springen. Sie können Wissen zwar vermitteln. Doch Facebook und Co. fragen nicht kritisch nach, sondern verbreiten Inhalte anderer unkommentiert und ohne sie einzuordnen.

Untersuchungen zeigen, dass soziale Medien wie Facebook, Twitter und Co dazu führen, dass sich deren Nutzerinnen und Nutzer zunehmend in einer sogenannten Bubble, einer Blase, bewegen. Denn die Algorithmen schlagen nur vor, was man bereits mag, wofür man sich bereits interessiert. Grüne erhalten Vorschläge für «Grünes», Rote für «Rotes», Weisse für «Weisses» und so setzt es sich fort. Die eigene Bubble wird dadurch grösser und so meinen die Empfängerinnen und Empfänger dieser Inhalte, es sei die weitest verbreitete Meinung. Auf diesen Irrtum folgt die fatale Annahme, dass diese (ihre) Meinung die einzig Richtige sei. Eine solche Haltung verhindert den Diskurs und spaltet die Gesellschaft.

Daher bleibt zum Schutz von Demokratie und Meinungsvielfalt nur, auch eine mediale Vielfalt zu fördern, in der kritisch hinterfragt, widersprochen, eingeordnet und sachlich diskutiert werden darf. Das muss einer Gesellschaft etwas wert sein. Denn unabhängige Medien können Inhalte liefern, die nicht von Algorithmen gesteuert sind, sondern von der Realität.