Ja oder Nein – Im Zweifel tun

Mai 2024. Entscheidungen prägen unser Leben – vom alltäglichen «Was esse ich zum Frühstück?» bis hin zu lebensverändernden Entscheidungen wie einem Jobwechsel oder Heirat. Doch während es uns oft schwerfällt, im Kleinen Nein zu sagen, ist das Gegenteil bei grossen Entscheidungen der Fall: Ein Ja fällt schwer. Warum ist das so und was bedeutet das für Wirtschaft und Politik?

Im Alltag neigen wir dazu, Ja zu sagen. Sei es, weil wir Konflikte vermeiden wollen, uns sozial verpflichtet fühlen oder Angst haben, Chancen zu verpassen. Nein zu sagen, erfordert Mut und eine klare Abgrenzung. Es fühlt sich an, als würden wir andere Menschen oder Möglichkeiten die Tür vor der Nase zuschlagen. Dies widerspricht unserem sozialen Instinkt, der auf Gemeinschaft und Zustimmung ausgelegt ist. Ein Nein kann als Ablehnung oder Unfreundlichkeit interpretiert werden, was den sozialen Druck, Ja zu sagen, erhöht.

Anders verhält es sich bei grossen Entscheidungen. Hier wirkt das Ja oft einschüchternd. Ein Ja bedeutet Veränderung, Risiko und Verantwortung. Es ist eine Zustimmung zu etwas Neuem und Ungewissen, was Ängste und Zweifel hervorrufen kann. In der Psychologie spricht man von Verlustaversion: Wir bewerten potenzielle Verluste höher als mögliche Gewinne. Daher fällt es uns leichter, im Zweifel zu verharren, als eine riskante Entscheidung zu treffen.

In der Wirtschaft und Politik ist diese Ambivalenz besonders deutlich. Unternehmen zögern oft, in neue Märkte zu expandieren oder innovative Technologie zu übernehmen. Sie sagen Ja zu Bewährtem und Nein zum Risiko, selbst wenn dies langfristig schädlich sein kann. Ein Beispiel ist die Digitalisierung, wo viele Unternehmen lange gezögert haben, vollumfänglich zu investieren, obwohl dies mittlerweile unverzichtbar ist.

In der Politik zeigt sich diese Ambivalenz bei der Umsetzung von Reformen, vor der häufig zurückgeschreckt wird, oder bei Entscheidungen zum Beispiel über grosse Infrastrukturprojekte wie einen Spitalneubau, über einen Beitritt zum EWR oder zum IWF, die schwerwiegend sind und deshalb nicht leichtfertig gefällt werden.

Kommunikation spielt in diesen Entscheidungsprozessen eine entscheidende Rolle. Klare und transparente Kommunikation hilft dabei, Unsicherheiten und Ängste zu verringern, indem sie Informationen und Argumente nachvollziehbar darstellt. Dies schafft Vertrauen und Akzeptanz in der Bevölkerung und bei den Mitarbeitenden. Gute Kommunikation bedeutet aber vor allem, aktiv zuzuhören und auf die Bedenken und Anregungen der Betroffenen einzugehen. Dies ermöglicht es, komplexe Entscheidungen besser zu verstehen und die Beteiligten in den Prozess einzubeziehen, was wiederum die Bereitschaft erhöht, notwendige Veränderungen mitzutragen.
Das Motto «Im Zweifel tun» mag auf den ersten Blick verwegen wirken, birgt jedoch eine tiefe Wahrheit. Es fordert dazu auf, Entscheidungen nicht aus Angst zu vermeiden, sondern aktiv anzugehen. Dies bedeutet nicht, kopflos Risiken einzugehen, sondern wohlüberlegte Entscheidungen zu treffen und dabei Mut zur Veränderung zu zeigen.

Die Ambivalenz zwischen Ja und Nein ist ein natürlicher Teil der menschlichen Entscheidungsfindung. Für Wirtschaft und Politik bedeutet dies, dass ein gewisses Mass an Risiko und Veränderungsbereitschaft unabdingbar ist. Das Motto «Im Zweifel tun» erinnert uns daran, dass Fortschritt nur durch aktive Entscheidungen und den Mut, Neues zu wagen, erreicht werden kann. Letztlich sind es die mutigen Entscheidungen, die uns voranbringen – in unserem persönlichen Leben ebenso wie in der Gesellschaft insgesamt. Dafür lohnt auch ein Blick zurück auf «Ja-Entscheidungen» und deren (meist positiven) Auswirkungen.